The Bee Gees

The Bee Gees
The Bee Gees
 
Die älteste Boygroup der Welt
 
Im Jahr 2000 konnten die Brüder Barry, Maurice und Robin Gibb ein seltenes Jubiläum feiern: Sie blickten auf 45 Jahre Bühnenpräsenz zurück und zeigten sich damit als eine der dienstältesten Institutionen im internationalen Popgeschäft. Der weltweite Siegeszug der Bee Gees, die ihren Namen von den Initialen für »Brothers Gibb« ableiteten, begann 1967 mit verspielten Songs und romantischen Beatballaden, die mit ausgefeiltem Harmoniegesang vor allem die Herzen weiblicher Fans eroberten. Obwohl die ersten drei Alben die Bee Gees als Rockband präsentierten, die, durchaus in diversen Stilen zu Hause, stark von »Sgt. Pepper« und dem Zeitgeist der späten 60er-Jahre geprägt war, galten sie aufgrund ihrer oft recht schwülstigen Singlehits als Mainstream-Soft-Popper und »Ersatz-Beatles«, die im Vergleich zu parallel aufstrebenden neuen Acts wie Jimi Hendrix und »Cream« für ernsthafte Musikliebhaber wenig Aufregendes zu bieten hatten. Wie gut und erstaunlich abwechslungsreich das ausnahmslos selbst verfasste Frühwerk der Gruppe tatsächlich war, zeigt sich, wenn man es mit dem aktuellen Britpop vergleicht, dessen Epigonen sich dort gern wieder die eine oder andere Harmonie ausborgen. Interne Querelen, ständige Selbstzweifel und künstlerische Einfallslosigkeit führten Anfang der 70er-Jahre dazu, dass die Bee Gees fast in der Bedeutungslosigkeit versanken, obwohl der Stromlinienpop ihrer weiterhin regelmäßig erscheinenden Alben und Singles stets genug Abnehmer fand, um ihnen ein gesichertes Auskommen auf hohem Niveau zu garantieren. Ihr Come-back als Superstars feierten sie, als sie auf dem Höhepunkt der Disco-Euphorie die Musik zum Kultfilm »Saturday night fever« verfassten und mit Songs wie »Stayin' alive« eine Generation, der sie längst entwachsen waren, in Verzückung versetzten. Ohne große Zugeständnisse an wechselnde Modetrends versorgen die Bee Gees seither die Welt in regelmäßigen Abständen mit eingängigem Synthetikpop, der selbst rhythmisch Unbegabte nicht überfordert, und halten sich erstaunlich gut dabei.
 
 Von England nach Australien und zurück
 
Obwohl sie ihre ersten Erfolge auf dem fünften Kontinent feierten, sind die Bee Gees keine australische Band. Barry Gibb wurde am 1. September 1946 und die Zwillinge Robin und Maurice am 22. Dezember 1949 auf der britischen Insel Man geboren. Die drei Jungen hatten schon 1955, dem Jahr des Familienumzugs nach Manchester, erste Auftritte im Programm ihres Vaters, der das Hughie Gibb Orchestra leitete. 1958 wanderte die Familie nach Brisbane in Australien aus, wo die Brüder ab 1963 Platten aufnahmen, die sich zaghaft und erfolglos an den frühen Sound der Beatles anzulehnen versuchten. Sie arbeiteten unverdrossen weiter und entwickelten die für die Zukunft typischen Vokalharmonien, bei denen Robin die hohen und Maurice die tiefen Lagen übernahm, während Barry als Leadsänger fungierte. Obwohl sich im Lauf der Zeit kleinere Charterfolge einstellten, erkannten die Brüder, dass Ruhm und Reichtum nur im Mutterland des Beat zu erreichen sein würden. Als sie Anfang 1967 in London ankamen, hatte ihre letzte australische Single »Spicks and specks« gerade die Spitzenposition der dortigen Hitparade erreicht. Die Gibb-Brüder, die alle leidlich Klavier und Gitarre spielen konnten, hatten sich noch in Australien verstärkt mit dem Schlagzeuger Colin Petersen und dem Gitarristen Vince Melouney zusammengetan, die anfänglich als gleichberechtigte Mitglieder in Erscheinung traten und großen Anteil daran hatten, dass die Band auch auf der Bühne eine gute Figur abgab. Der umtriebige Agent Robert Stigwood übernahm das Management der Bee Gees und vermittelte ihnen einen Plattenvertrag mit Polydor. Das erste Album »Bee Gees first« geriet zu einer faszinierenden Mischung all der verspielten Elemente, die so typisch waren für den »Summer of love« und die Flowerpower-Euphorie des Jahres 1967. Das Spektrum reichte vom harten Rock über psychedelische Tagträume bis zu großen Balladen wie »To love somebody«. Zum großen Hit wurde »New York mining disaster 1941«, die traurige Geschichte der Suche nach den Überlebenden eines Bergwerkunglücks.
 
 Die ungekrönten Könige des Schmuserock
 
1968 folgten die ähnlich abwechslungsreichen Alben »Horizontal« und »Idea«, die mit immer aufwendigerer Orchestrierung die instrumentalen Beiträge der Bandmitglieder allmählich zu Nebengeräuschen degradierten. Seit dem Welthit »Massachusetts«, der den Bee Gees das Image von Schnulzenkönigen eintrug, wurden nur noch in Geigen schwelgende Balladen als Singles veröffentlicht, und mit tränenreichen Titeln wie »World«, »Words«, »I've got to get a message to you« und »First of may« eroberten die Bee Gees die Herzen von pubertierenden Schulmädchen rund um den Globus. Die meist dem gut aussehenden Barry geltende Massenhysterie, die ihre öffentlichen Auftritte auslöste, war nirgends größer als in Deutschland, wo die Bee Gees ihre meisten Platten verkauften und treue Fans hatten, die noch zu ihnen hielten, als ihr Stern in England bereits zu sinken begann. Ihr mit bombastischen Nichtigkeiten überfrachtetes Doppelalbum »Odessa« verkaufte sich 1969 zwar noch gut, löste jedoch bei Fans und Kritikern gleichermaßen Ratlosigkeit aus. Nachdem Melouney und Petersen, die ohnehin nur noch für Fototermine gebraucht worden waren, die Band bereits verlassen hatten, zerstritten sich die Brüder, und Robin Gibb startete eine Solokarriere. Obwohl er mit »Saved by the bell« einen Riesenhit verbuchen konnte, erzielten die ähnlich konstruierten Titel »August October« und »One million years« nur noch in Deutschland nennenswerte Umsätze. Die beiden übrigen Bee Gees hatten mit »I. O I. O« und dem Album »Cucumber castle« auch keine wesentlichen Erfolge. So rauften sich die drei Brüder Ende 1970 wieder zusammen und landeten mit dem erstaunlich rhythmischen »Lonely days« einen Hit, der in Europa weniger Aufsehen erregte als in den USA, wo er Platz 1 der Charts erreichte. Als auch der in Europa völlig ignorierte Nachfolger »How can you mend a broken heart« dieses Kunststück schaffte, beschlossen die Bee Gees, sich in Zukunft ganz auf den amerikanischen Markt zu konzentrieren.
 
 Das Come-back mit »Saturday night fever«
 
Obwohl die mittlerweile meist in Amerika absolvierten Tourneen noch immer volle Häuser bescherten und Alben wie »Two years on«, »Trafalgar« und »To whom it may concern« sich dort erstaunlich gut verkauften, waren die Bee Gees Anfang der 1970er-Jahre nur noch ein müder Abklatsch glorreicher früherer Zeiten. Ihr Konzept hatte sich wenig verändert, und ihre Kompositionen klangen beliebig austauschbar und antiquiert. Obwohl sie erfolgreiche Hits wie »My world« und »Run to me« hervorbrachten, wurden sie meist nur noch als Fossilien einer vergangenen Epoche wahrgenommen. Auf Anraten Robert Stigwoods begann die Band 1973 ihren Sound zaghaft zu modernisieren und beschäftigte sich mit Elementen der schwarzen Musik Amerikas, die damals gerade den Einfluss von Blues und Gospel aus dem Soul eliminiert hatte und nun dem leicht monotonen, aber rhythmisch höchst eingängigen Discosound frönte. Klangen die ersten Versuche, Funk mit Bee-Gees-typischem Falsettgesang zu kombinieren auf den Alben »Life in a tin can« (1973) und »Mr. Natural« (1974) noch aufgesetzt und ungelenk, so hatte die Band 1975 mit »Main course« und dem daraus stammenden Hit »Jive talkin'« bereits eine beachtliche Meisterschaft im neuen Genre entwickelt. Als die Discowelle Mitte der 70er-Jahre ihren Höhepunkt erreichte, gehörten die Bee Gees zu den führenden Vertretern und feierten Hits mit tanzbaren Titeln wie »You should be dancing«, »Nights on Broadway« und »Love so right«.
 
Dass sie selbst im schnelllebigen Tagesgeschäft Klassiker schreiben können, die Jahrzehnte später noch gern gehört und gekauft werden, bewies die Gruppe 1977, als sie dem langsam abebbenden Discotrend mit dem Soundtrack zu »Saturday night fever« neues Leben einhauchte. Der Film löste rund um den Globus ein erneutes Tanzfieber aus und machte den vorher unbekannten John Travolta über Nacht zum viel imitierten Weltstar. In Erinnerung blieben jedoch weniger die schauspielerischen Leistungen des Vortänzers, sondern hauptsächlich die mitreißende Musik der Bee Gees, die Welthits wie »How deep is your love«, »Stayin' alive« und »Night fever« beigesteuert hatten. Obwohl auf dem Soundtrack auch schwarze Gruppen wie KC & The Sunshine Band und die Trammps vertreten waren, waren es die Beiträge der Bee Gees, die das Album auf Platz 1 der LP-Charts in Amerika, England und Deutschland hievten und die oft belächelte Discomusic gesellschaftsfähig machten. Mit über 30 Millionen verkauften Exemplaren waren die Bee Gees erfolgreicher als je zuvor. Sie erfüllten sich nun den lange gehegten Wunsch, »Sgt. Pepper's lonely hearts club band« als Musical aufzuführen und mit sich selbst in den Hauptrollen zu verfilmen. Das äußerst peinliche Ergebnis verschwand kurz nach der Uraufführung wieder in der Versenkung. Dafür feierten die Gebrüder Gibb 1979 Triumphe mit dem Album »Spirits having flown« und den Hits »Tragedy«, »Too much heaven« und »Love you inside out«. Neben ihrer eigenen Karriere förderten sie seit 1978 das Talent ihres jüngsten Bruders Andy Gibb, der Anfang der 1980er-Jahre eine ganze Reihe von Hits verbuchen konnte, darunter »I just wana be your everything«, »Love is thicker than water«, »Shadow dancing« und »Desire«.
 
 Etabliert im amerikanischen Showbusiness
 
Die mittlerweile in Los Angeles ansässigen Bee Gees mussten nun niemandem mehr etwas beweisen und traten in den 80er-Jahren »aus familiären Gründen« etwas kürzer. Barry produzierte erfolgreiche Alben für Kenny Rogers, Dionne Warwick und Barbra Streisand, auf deren Hit »Woman in love« er mit ihr im Duett zu hören war. Robin bastelte erneut an einer Solokarriere und hatte dabei wiederum in Deutschland die größten Erfolge. Das gemeinsame Album »Living eyes« (1981) brachte ebenso wenig Neues wie der Soundtrack zum Film »Stayin' alive« (1983), der nichts anderes war als ein recht erfolgreicher Zweitaufguss von »Saturday night fever«. Als die Bee Gees zehn Jahre nach ihrem größten Erfolg in der Versenkung verschwunden zu sein schienen, meldeten sie sich Ende 1987 mit einem Paukenschlag zurück. Mit »You win again« und dem Album »E. S. P.« belegten sie nicht nur ein weiteres Mal die Spitzenplätze der jeweiligen Charts, sondern bewiesen auch, dass sie noch immer ein untrügliches Gefühl für zeitgemäße Popmusik in zeitloser Hochglanzausführung besaßen. Obwohl nicht nur der tragische Tod des jüngsten Bruders Andy 1988 fast die endgültige Trennung bewirkt hatte, konnten die Bee Gees 1989 mit dem Album »One« einen weiteren Bestseller verbuchen und sich in die kurze Liste erlauchter Künstler eintragen, die im Laufe ihrer Karriere mehr als 100 Millionen LPs verkauft haben. Die Brüder blieben sich und ihren Fans auch in den 90er-Jahren treu, erzielten jedoch für ihre Verhältnisse nur durchschnittliche Erfolge mit den Alben »High civilization« (1991), »Size isn't everything« (1993) und »Still waters« (1997), die alle kaum Neues brachten, aber dennoch studiotechnisch Maßstäbe setzten und immer wieder das Bedürfnis von erwachsenen Menschen nach erwachsener Popmusik befriedigten. Die Band, die sich stets geweigert hatte, musikalisches Neuland zu erforschen, hat unzählige Trends unbeschadet überstanden und ist heute noch eine feste Größe im Geschäft. Im Frühjahr 2001 erschien ihr mittlerweile 25. Werk (»This is where I came in«), das in Deutschland auf Platz 3, in Großbritannien auf Platz 6 der Charts kam. Die Bee Gees konnten zwar in den vergangenen 20 Jahren kaum neue Fans hinzugewinnen, haben jedoch das Kunststück fertig gebracht, ihre althergebrachte Klientel fest an sich zu binden. Auch wenn ihre Auftritte heute statt Massenhysterie nur noch wehmütige Nostalgie auslösen, sind sie als unverwüstliche Boygroup für nunmehr reifere weibliche Fans noch immer Vorbild für eine ganze Armada jugendlicher Herzensbrecher der Musikszene mit sehr viel kürzerem Verfallsdatum.

Universal-Lexikon. 2012.

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